1.20. Wirkung

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Die Kategorie der Wirkung, wie sie hier verstanden wird, ist rezipientenbezogen zu betrachten: Der Empfänger rezipiert Aussage und Ge¬staltung des Textes vor dem Hintergrund seiner Erwartungen, die sich ihrerseits aus der Analyse der Faktoren der Kommunikationssituationen und aus seinem Hintergrundwissen herleiten. Aus dem Verhältnis der textinternen Charakteristika des Textes zu den textextern aufgebauten Erwartungen des Empfängers an den Text ergibt sich dann der Eindruck, den der Text auf den Empfänger macht. Diesen Eindruck, unabhängig davon, ob er bewußt oder nicht bewußt bzw. unterbewußt entsteht, be¬zeichne ich als Wirkung. "Wirkung" ist also eine Kategorie, welche die Grenzen des Textes einerseits, aber auch die der Situation andererseits überschreitet und dadurch den Zusammenhang zwischen textexternen und textinternen Faktoren darstellt (vgl. ähnliche Überlegungen von Vermeer in der Diskussion zu Reiss 1974b, 115). "Wirkung" bezieht sich also auf den Text und die Menschen, und ihre Analyse gehört insofern zur "Interpretation" und nicht zur "linguistischen Beschreibung" des Tex¬tes (vgl. Hendricks 1977, 31, der sich hier auf Harris 1964 beruft).

Als "Wirkung" betrachte ich das (vorläufige oder endgültige) Resul¬tat eines Kommunikationsprozesses zwischen Sender und Empfänger. Bei einem Dialog dürfte dieses Resultat beide Seiten betreffen, bei ei¬nem "unidirektionalen" Mitteilungsgeschehen betrifft es nur den Rezipienten. Es wirkt sich aus zum einen auf die soziale Beziehung des Rezipienten zum Sender, zum anderen auf den Erkenntnis- oder Wissensstand, den emotionalen Bereich und den auf Handeln bezogenen Bereich des Rezipienten. Dabei ist keiner dieser Bereiche je auszunehmen, je nach Textfunktion kann jedoch einer der Bereiche stärker angesprochen sein als die anderen. Zur Wirkung gehören auch mittel- und langfristige Folgen des Textes, obwohl diese natürlich für den Analysator kaum zu antizipieren sind. So kann z.B. bei den Hörern einer Predigt einerseits eine unmittel¬bare Reaktion eintreten (z.B. Rührung), andererseits aber auch eine mit-telbare Reaktion, die sowohl kurzfristig (z.B. Überweisung eines Geld¬betrags am nächsten Tag) als auch langfristig (z.B. Änderung der Le¬bensgewohnheiten) andauern kann. Entsprechend sind auch verschiede¬ne Wirkungsarten oder -grade zu unterscheiden. Hiervon zu trennen ist die "historische Wirkung" oder "Wirkungsge¬schichte" eines Textes, die der Übersetzer eines älteren Textes (z.B. der Bibel oder der Odyssee ) in die Analyse mit einbeziehen muss und zu der natürlich auch frühere Übersetzungen desselben Werkes gehören (vgl. u.a. Fuchs 1985, 98f.).

Voraussetzung dafür, dass ein Text eine Wirkung hat, ist auf jeden Fall, dass der Rezipient im Kommunikationsprozeß selbst veränderbar ist: dass er beeindruckbar, zu Entscheidungen fähig ist und zum Handeln motiviert werden kann. Die Kategorie der Wirkung setzt demnach vor¬aus, dass Worte bzw. Texte beim Hörer oder Leser etwas bewirken kön¬nen und sollen, und sie ist damit grundsätzlich eine "pädagogische" Ka¬tegorie.

Die Wirkung wird sowohl durch textexterne als auch durch textin¬terne sowie durch die Kombination bestimmter textexterner mit be¬stimmten textinternen Merkmalen bestimmt. Grundsätzlich können an der Herstellung der Textwirkung alle textexternen und textinternen Fak¬toren beteiligt sein.

Translatorische Textanalyse